Stehen wir vor dem Anbruch einer völlig anderen Welt?
Die Einführung neuer Medien war in der Geschichte immer wieder mit weit reichenden Hoffnungen und Ängsten verbunden: Erlaubt Schrift Kommunikation über weite Distanzen, oder provoziert sie Missverständnisse und sabotiert das Erinnerungsvermögen? Hat der Buchdruck im Europa seit der frühen Neuzeit politische Umstürzen begünstigt? Verspricht das Internet Demokratisierung oder Fake News und Populismus?
Das zwiespältige Wort Apokalypse gibt diese Ambivalenz wieder: Seit der Offenbarung des Johannes, die vom Weltuntergang träumt, meint es zugleich Weltuntergang und Offenbarung. Es drückt damit Hoffnungen und Ängste, Visionen und Albträume zugleich aus. Wie Johannes vom Engel in Büchern, Bildern, Erscheinungen und Stimmen eine völlig neue Welt angekündigt wird, meinen wir heute oft an der Schwelle zu völlig neuen Wahrnehmungen und Kommunikationen zu stehen.
Umberto Eco stellte den ängstlichen Apokalyptikern bereits 1964 die passiven Integrierten gegenüber: Während erstere radikale Ängste mit der Aussicht auf mediale Umbrüche verbinden, integrieren die anderen die jüngste Medientechnologie als neue Selbstverständlichkeit in ihren Alltag – und fügen sich. Eco meint, beide Perspektiven seien gleichermaßen falsch. Stattdessen gilt es jedes Medium einzeln und in der Fülle seiner historischen Kontexte zu betrachten.
Die Ausstellung Medienapokalypsen tut genau dies. Sie wird einige der vielfältigen Widersprüche dieser kulturellen Reaktionen auf neue Medientechnologien spiegeln und in Schlaglichtern beleuchten. Die von Studierenden und Professor_innen gefüllten Vitrinen erstrecken sich von der mündlichen Singdichtung Homers bis zu den digitalen Games der Gegenwart. Dabei gilt es immer wieder den Vergleich zu heute zu ziehen: Welche Hoffnungen, welche Ängste sind jeweils im Spiel? Was war damals wirklich neu? Was ist es heute? Wie hängen Technik und Gesellschaft zusammen? Wie bewältigen Gesellschaften die Flut neuer Möglichkeiten, die Medienrevolutionen mit sich bringen?
Hubertus Neuhausen, Stephan Packard (Köln, den 18. 12. 2017)
Programm
Vortrag: Reintegrierte Apokalypsen - Wie mediale Visionen aus Science Fiction altern
Beschreibung
Das Nachdenken über medialen Wandel ist zugleich stets Futurologie: der Versuch, visionär zu erkennen, was noch nicht ist, aber einmal sein wird.
In der amerikanischen Golden Age Science Fiction wird die Prophetie in dieser Weise mit der Begeisterung für neue Medien verbunden. Das Genre entsteht in Zeitschriften, die sich der aktuellen und durchaus realen Radio- und Funktechnik widmen. Wer diese neuen Medientechniken sieht, beginnt auch sonst an die Veränderbarkeit seiner Welt zu glauben; und wer sie als neue Medien verwendet, sieht darin auch die Chance, diese Veränderbarkeit in einem neuen Medium auszudrücken.
Diese Visionen sind gegenüber neuen Medien und dem Wandel der Welt meist überaus zuversichtlich. Andere Visionen der Zukunft in der Science Fiction sind dagegen dystopisch. Noch mehr aber ist weiten Teilen der jüngeren Science Fiction überhaupt die ernsthafte Hoffnung abhandengekommen, die Zukunft vorhersagen zu können.
Der Vortrag geht diesen beiden Fragen nach: Wie meinten die klassischen SF-Autoren, die Zukunft zu erkennen? Und was geschieht in der Geschichte des Genres mit ihrem Optimismus?
Information zur Veranstaltung
Vortragender: Prof. Dr. Stephan Packard
Uhrzeit: 18 Uhr
Ort: Raum 4.007 (UB)
Filmvorführung: Fahrenheit 451
Beschreibung
François Truffauts Science Fiction-Film Fahrenheit 451 aus dem Jahr 1966 basiert auf dem Konzept einer zukünftigen Gesellschaft, in der sowohl der Besitz von Büchern als auch die Tätigkeit des Lesens strikt verboten sind, daher beides streng sanktioniert ist.
Zugespitzt auf den Aspekt des Apokalyptischen, wird Christiane König in ihrer Einführung aufzeigen, dass man den Spielfilm jedoch weniger als dystopischen Entwurf einer Mediengesellschaft interpretieren muss. Vielmehr handelt es sich in Form der spezifischen Bezogenheit von Leben, Kunst und Temporalität um ein Plädoyer für Vielfalt und Pluriperspektivik sowie letztlich die dringlich notwendige Persistenz des Erinnerns.
Information zur Veranstaltung
Einführung: PD Dr. Christiane König
Uhrzeit: 18 Uhr
Ort: Raum 4.007 (UB)
Eingang über Kerpener Str. 20
Fahrenheit 451
Jahr: 1966
Regisseur: François Truffaut
Altersfreigabe: FSK 12
Filmlänge: 112 Minuten
Deutsche Synchronisation
Vortrag: Zwischen Trauma und Sehnsucht: Die scena des Theaters als Pforte des Anderen
Beschreibung
Der Spiel- und Schauraum des Theaters, die scena, folgt ihren eigenen Gesetzen. Nicht allein ist sie geschützt durch den Bannkreis des Fiktiven, indem die Strenge der ‚Realität‘ den unbegrenzten Möglichkeiten des Theaterspiels weicht, sie ist eine Herausforderung und ein Versprechen – gleichermaßen Spiegel der Sehnsüchte wie Abgrund der Ängste. Der Philosoph Hans Blumenberg hat eine so offene Funktion dem Horizont zugesprochen – der Grenzlinie des Bekannten ist gleichermaßen die Linie der Bedrohung und der Ungeheuer, wie auch das Einfallstor der Verheißung. Die scena ist ein solcher Horizont.
Menschen und ihre Kulturen bedürfen solcher Orte, um über sich hinauszuwachsen, um über den eigenen Lebenstellerrand hinauszusehen: Sei es in die abgründige Verzweiflung von Schuld und Rache in der Orestie, sei es in die Wechselfälle und Schwankungen menschlicher Liebesbeziehungen wie im Sommernachtstraum, sei es in die komische Mechanik gesellschaftlicher Rollen, wie in den Scenarii der commedia dell’arte oder der französischen Boulevardkomödien.
Der Vortrag spürt den unterschiedlichen Formen der scena nach – auch um zeigen, daß sie keineswegs nur an die Form des Theaters gebunden ist. Sie bezeichnet vielmehr grundsätzlich jene Spielräume, mit denen dem „Absolutismus der Wirklichkeit“ (Blumenberg) bzw. der „Verzwecktheit des blöden Ernstes“ (Hugo Rahner) der Spiel- und Möglichkeitsraum einer Anderwelt entgegengestellt wird.
Information zur Veranstaltung
Vortragender: Prof. Dr. Peter W. Marx
Uhrzeit: 18 Uhr
Ort: Raum 4.007 (UB)
Filmvorführung: Welt am Draht
Ein gräßlicher Alptraum?
Welt am Draht spielt in einer nicht näher bestimmten Zeit, die Zukunft sein könnte, aber unserer Gegenwart wiederum auch sehr ähnlich sieht. Im Mittelpunkt der Geschichte steht der Wissenschaftler Dr. Fred Stiller (Klaus Lwitsch).
Stiller arbeitet im "Institut für Kybernetik und Zukunftsforschung" an einem großangelegten Forschungsprojekt, das präzise Voraussagen auch über zukünftige wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklungen ermöglichen soll: Simulacron I.
Je weiter die Arbeit an Simulacron - einem elektronischen Simulationssystem von extremer Speicherfehigkeit fortschreitet, desto mehr unerklärliche, unheimliche - oder auch nur merkwürdige? - Dinge ereignen sich in Stillers Umgebung.
Quelle:
Westdeutscher Rundfunk Köln
Dokumentation und Archive, D+U
Unternehmensarchiv u. Magazine
Uhrzeit: 18 Uhr
Ort: Raum 4.007 (UB)
Welt am Draht
Jahr: 1973
Regisseur: Rainer Werner Fassbinder
Altersfreigabe: FSK 12
Filmlänge: 212 Minuten mit Pause
Deutsche Synchronisation
Vortrag: Vom Film zum Smartphone - Was macht neue Medien so erfolgreich?
Beschreibung
Schaut man sich die Akzeptanz des Films und des Smartphones in den ersten Jahren ihrer Verbreitung an, so wird schnell klar, dass beide Medientechnologien außerordentlich erfolgreich waren. Allein in Deutschland haben sich große Teile der Bevölkerung in erstaunlicher kurzer Zeit dieser Technologien bedient. Weniger offensichtlich ist, was beide Medien denn so erfolgreich gemacht hat. Eine Antwort lässt sich jedoch relativ einfach finden, schaut man sich die Nutzungsformen dieser Medientechnologien sowie die Bedürfnisse und Motive ihrer Nutzer an.
Information zur Veranstaltung
Vortragender: PD Dr. Joseph Garncarz
Uhrzeit: 18 Uhr
Ort: Raum 4.007 (UB)
Podiumsdiskussion mit Kulturpartner WDR3: Medienapokalypsen - Hoffnungen und Ängste zum medialen Wandel
Moderation: Dr. Michael Köhler
Uhrzeit: 19 Uhr
Ort: Lesesaal 1 (UB)
Zwischen der drahtlosen Funktelegrafie als Grundlage von Radio und Twitter liegen nur hundert Jahre. Kulturell scheint eine ganze Welt dazwischen zu liegen. Technische Medien sind längst zur zweiten Natur des Menschen geworden.
Nicht nur zum Segen der Nutzer.
Mit ihrer Einführung sind stets Hoffnungen und Ängste verknüpft.
Moderne, technische Medien versprechen, schnell viel wissen, aber auch schnell viel vergessen zu können. Informatisierung ist aber noch nicht Wissen. Welche kulturellen Effekte hat dieser Prozess? Inzwischen sind CD, DAT- und VHS-Kassette, Mini-Disk und andere Medien schon wieder von gestern. Kopfhörer, Langspielplatte und Musikkassette erleben hingegen ein Revival.
Soziale Medien werden längst für Nachrichtenkanäle gehalten. Der Autoritätsverfall der Buchkultur setzt sich fort. Die Anforderungen ans verstehende Lesen werden aber nicht geringer. Im Maße wie die Navigationsfähigkeit im Alltag steigt, sinkt das Orientierungswissen. Debatten um Fake News und Hate Speech zeigen die abgründige Seite des Mediengebrauchs. Das Jammern über das Ende der „Gutenberg-Galaxis“ ist aber nicht ertragreich.
Gleichwohl hat Mediengebrauch immer massive soziale Effekte. Sind wir auf dem Weg zur körperlosen Kommunikation? Ist Sprachsteuerung eine neue Form von Imperialität? Lebenssteuerung per Knopfdruck? Lässt sich Medienkonsum sinnvoll einhegen oder gar nicht vermeiden? Welcher konstruktive Umgang damit ist lernbar?
Solchen und ähnlichen Fragen widmet sich das Podium „Medienapokalypsen“ am 19.07.2018, Uhr 19:00 im Lesesaal 1 der UB
Michael Köhler diskutiert mit seinen Gästen:
PD Dr. Joseph Garncarz
Institut für Medienkultur und Theater
Private Website
Prof. Dr. Lisa Gotto
Cologne Game Lab
Internationale Filmschule Köln
Prof. Dr. Stephan Packard
Institut für Medienkultur und Theater
Cordula von Wysocki
Chefredakteurin der „Kölnischen/Bonner Rundschau“
E-Mail: Cordula.vonWysocki@kr-redaktion.de
Die Aufzeichnung des Podiums aus der Universitätsbibliothek Köln wird nach den Sommerferien in der Sendung „WDR3 Forum“ ausgestrahlt. Der Sendetermin wird mitgeteilt.
Filmvorführung: Virtuality
Lässt sich der Alltag ohne mediale Fantasien ertragen? Aber was, wenn sich ein technischer Fehler in die Medien einschleicht, in die wir uns flüchten?
Die spektakuläre Mission des Raumschiffs Phaeton wird auf der ganzen Welt übertragen. Aber die Besatzung steht in einem schweren Konflikt: Soll sie sich weiterhin in die virtuelle Welt ihrer 'Module' zurückziehen, obwohl diese durch einen Programmierfehler gefährlich geworden ist? Oder soll sie sich den omnipräsenten Augen der Welt stellen?
Doch neben dem persönlichen Konflikt bleibt immer noch die Frage, wie der Programmierfehler überhaupt in die Module gelangte. Ist es wirklich Zufall? Oder liegen die Hoffnungen und Ängste der virtuellen Realität und der künstlichen Intelligenz näher bei einander, als wir meinen?
Uhrzeit: 18 Uhr
Ort: Raum 4.007 (UB)
Virtuality
Einführung: Prof. Dr. Packard
Jahr: 2009
Regisseur: Peter Berg
Altersfreigabe: FSK 12
Filmlänge: 88 Minuten
Deutsche Synchronisation